DKP Kiel
Deutsche Kommunistische Partei

Die Erfahrungen des realen Sozialismus

Künftige sozialistische Gesellschaften werden sich in vielem von denen unterscheiden, die im 20. Jahrhundert in Europa aufgebaut wurden, weil die historischen Voraussetzungen andere sein werden. Die positiven wie die negativen Erfahrungen, die in der Entwicklung des realen Sozialismus gewonnen wurden, stellen jedoch einen riesigen Schatz an Erkenntnissen dar, der für die Zukunft nutzbar gemacht werden muss

Die Leistungen des Sozialismus

Mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland wurde der Aufbau eines sozialistischen Gesellschaftssystems begonnen. Sie gab der Menschheit das Signal zum Aufbruch in eine neue Epoche. Unter ungünstigsten Ausgangsbedingungen wurden in der Sowjetunion und später in weiteren sozialistischen Staaten großartige Leistungen vollbracht.

Die sozialistischen Gesellschaften haben über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass eine Produktion ohne Kapitalisten, jenseits des Profitprinzips und nach einem gesellschaftlichen Plan möglich ist. Sie haben der Aggressivität des Imperialismus Fesseln angelegt.


Vom „Dekret über den Frieden“, dem ersten Dekret der Sowjetmacht 1917, über den entscheidenden Beitrag der Sowjetunion zum Sieg über den Hitlerfaschismus, bis zu den Abrüstungsinitiativen der Warschauer Vertragsstaaten reicht die lange Kette der Friedenspolitik des Sozialismus. Zu seinen historischen Leistungen gehört die solidarische Unterstützung der Völker im Kampf um nationale Unabhängigkeit, gegen Kolonialismus und Neokolonialismus.

Der Sozialismus hat soziale Errungenschaften durchgesetzt, die selbst in den reichsten imperialistischen Staaten nicht erreicht wurden: Obdach- und Arbeitslosigkeit wurden überwunden, es gab gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle, eine entwickelte Erwerbstätigkeit der Frauen, kostenlose Gesundheitsversorgung und eine hoch entwickelte, für die Massen zugängliche Kultur. Das Leben war geprägt durch soziale Sicherheit und Vertrauen in die Zukunft.

Die Existenz des Sozialismus und seine Errungenschaften haben zugleich die Bedingungen für den Kampf um soziale und demokratische Reformen in den entwickelten kapitalistischen Ländern wesentlich verbessert. Die Bourgeoisie und ihre Regierungen waren durch die Systemkonfrontation zu bedeutenden Zugeständnissen gezwungen. Das galt besonders für die Herrschenden in der Bundesrepublik.

Die Deutsche Demokratische Republik hat unter Führung der SED der Macht des deutschen Imperialismus Grenzen gesetzt. Vier Jahrzehnte lang war in einem Teil Deutschlands die Herrschaft der Monopole und Banken beseitigt. Die Befreiung vom Faschismus hatte dem deutschen Volk günstige Möglichkeiten für die Schaffung einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung in ganz Deutschland eröffnet. Allerdings wurde diese Chance in konsequenter Weise nur im östlichen Teil, in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR, genutzt.

Mit der DDR entstand auf deutschem Boden eine sozialistische Alternative zum deutschen Imperialismus. Die DDR, ihr konsequenter Antifaschismus, ihr Eintreten für Frieden, Entspannung und Abrüstung sowie die Verwirklichung elementarer sozialer Grundrechte gehören zu den größten Errungenschaften der deutschen Arbeiterbewegung und sind Teil des humanistischen Erbes in Deutschland.

Ursachen der Niederlage

Trotz seiner wahrhaft historischen Leistungen hat der Sozialismus in Europa eine Niederlage erlitten. Sie hat innere und äußere, ökonomische, ideologische und politische, objektive und subjektive Ursachen. Dafür haben wir bisher noch keine abschließenden Erklärungen; die Diskussion dazu findet in der DKP statt. Aus heutiger Sicht gehören dazu die äußerst schwierigen Ausgangsbedingungen unter denen die Revolution in Russland stattfand. Eine schwach entwickelte Industrie und unterentwickelte Landwirtschaft, zum Teil noch verbreiteter Analphabetismus, fehlende bürgerlich-demokratische Traditionen, eine noch vorwiegend bäuerliche Bevölkerung und eine Arbeiterklasse, die sich unter diesen im Vergleich mit den entwickelten kapitalistischen Ländern rückständigen Bedingungen herausgebildet hatte, all das nahm in vielen Ländern, die einen sozialistischen Weg einschlugen, prägenden Einfluss auf die Entwicklung von Ökonomie und Politik.

Diese Situation sowie dauernde äußere Bedrohung durch die imperialistischen Mächte machten es in der Sowjetunion unerlässlich, in kurzer Frist durch die Zentralisierung aller Kräfte eine moderne Industrie aufzubauen und eine kulturelle Revolution in Angriff zu nehmen. Die führende Rolle der Arbeiterklasse wurde unter diesen Bedingungen zunächst weitgehend stellvertretend durch die führende Rolle der kommunistischen Partei ersetzt.

Dies wurde allerdings auch dann noch beibehalten, als sich im Ergebnis der Industrialisierung und der Kulturrevolution die Bedingungen verändert hatten. Partei und Staat verschmolzen immer stärker zu einem administrativ-bürokratischen Apparat. Der Prozess der Vergesellschaftung blieb vielfach auf der Stufe der Verstaatlichung stecken. Die Folge war eine zunehmende Entfremdung vom sozialistischen Eigentum.

Durch die staatliche Durchdringung aller Bereiche der Gesellschaft wurde die Eigeninitiative gehemmt. Immer weniger fand eine streitbare gesellschaftliche Debatte um Perspektiven statt. In dieser Zeit verlor die Partei an Glaubwürdigkeit und damit letztlich die Hegemonie. Politische und organisatorische Grundsätze der KPdSU wurden zunehmend außer Kraft gesetzt; an die Stelle von innerparteilicher Demokratie, Kollektivität und Solidarität traten autoritäre Maßnahmen.

Dieser Prozess vollzog sich unter den Bedingungen der äußeren Bedrohung und Subversion, der wirtschaftliche Erpressung und harter internationaler Klassenauseinandersetzungen. Vor dem Hintergrund eines fehlenden Vorlaufs bürgerlich-demokratischer Rechtsformen wurden, im Widerspruch zum humanistischen Wesen des Sozialismus, die Prinzipien sozialistischer Demokratie durch Missachtung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, durch Repression, durch Massenverfolgung und Verbrechen massiv verletzt. Zahllose Menschen, auch Mitglieder der KPdSU, der Roten Armee und der Kommunistischen Internationale fielen dem zum Opfer. Das hat dem Sozialismus und seinem Ansehen schwer geschadet.

Bisherige Erkenntnisse und Schlussfolgerungen daraus wurden Bestandteil des politischen und organisationspolitischen Selbstverständnisses der DKP; dieser Prozess wird weitergeführt.

Das administrativ-zentralistische „Sozialismusmodell“ wurde nach dem zweiten Weltkrieg weitgehend auf die Länder übertragen, die einen sozialistischen Entwicklungsweg beschritten. Konnten mit diesem Typ des Sozialismus zunächst bedeutende wirtschaftliche Erfolge erreicht werden, so erwies er sich später als nicht in der Lage, die qualitativ neuen Anforderungen der wissenschaftlich-technischen Revolution rechtzeitig zu erfassen und flexibel darauf zu reagieren. Die Folge war, dass die sozialistischen Länder in der Entwicklung der Arbeitsproduktivität und des materiellen Lebensstandards immer weiter hinter den entwickelten kapitalistischen Ländern zurückblieben. Das musste destabilisieren.

Es ist den sozialistischen Ländern nicht gelungen einen dem Sozialismus entsprechenden neuen Typ der Produktivkraftentwicklung zu schaffen. Auch konnten sich sozialistische Wertvorstellungen nicht dauerhaft und umfassend durchsetzen.

Neben bedeutenden neuen Entwicklungen und Erkenntnissen kam es zu dogmatischen Erstarrungen in den Gesellschaftswissenschaften. Diese wurden ihrer Kraft beraubt, durch wissenschaftlich begründete Prognosen fundierte Handlungsorientierungen für die Lösung sich entfaltender Widersprüche und die Weiterentwicklung der sozialistischen Gesellschaft zu erarbeiten. Die Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik in Partei und Gesellschaft ging weitgehend verloren. Auch die Kommunisten in der Bundesrepublik haben fehlerhafte Einschätzungen mitgetragen.

Die innere Hauptursache für die Niederlage des realen Sozialismus in Europa liegt darin, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse zunehmend erstarrten. Es gelang nicht, dem Sozialismus auf seiner eigenen Grundlage, entsprechend dem erreichten Entwicklungsstand, immer neue revolutionäre Entwicklungsschübe zu geben.

Die Niederlage des Sozialismus ist zugleich das Ergebnis der äußeren und inneren Konterrevolution. Während ihrer ganzen Existenz waren die Sowjetunion und später auch die anderen sozialistischen Länder ständigen Angriffen und Eingriffen der imperialistischen Mächte ausgesetzt. Von der Intervention der 14 imperialistischen Staaten gegen die junge Sowjetmacht (1918-1920) über wirtschaftliche Isolation und Handelsembargo, die Bedrohung durch den Antikominternpakt der faschistischen Staaten Deutschland, Italien und Japan bis zum Vernichtungskrieg des deutschen Faschismus verläuft eine gerade Linie äußerer Aggression, die durch subversive Aktionen begleitet wurden. Dies wurde fortgesetzt durch die Embargopolitik und das kräftezehrende Wettrüsten während des kalten Krieges, verstärkt durch die atomare Bedrohung. Die imperialistischen Mächte haben – bis zu konterrevolutionären Strategien – nichts unversucht gelassen, um den Sozialismus zu destabilisieren und zu zerstören.

Als Folge der sich zuspitzenden inneren gesellschaftlichen Probleme, des äußeren Einflusses und der zunehmenden Unfähigkeit, die anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben zu lösen, verengten sich die Handlungsspielräume weiter. In einigen sozialistischen Ländern Europas gewannen in dieser Krisensituation in den regierenden Parteien – vor allem auch in der KPdSU – revisionistische Kräfte die Überhand. Damit wurde zum Schluss der Weg frei für die Niederlage des Sozialismus.

Die DKP stellt sich der Aufgabe die Ursachen für die Niederlage aufzudecken und daraus Schlussfolgerungen für künftige sozialistische Entwicklungen zu ziehen.

Denn die Niederlage der sozialistischen Länder in Europa bedeutet nicht, dass der Sozialismus unmöglich und der Kapitalismus das letzte Wort der Geschichte ist. Angesichts der durch den Kapitalismus hervorgerufenen Zerstörungen muss und wird die Menschheit neue Lösungen jenseits des Kapitalismus für ihre Probleme finden. Dramatischer als jemals zuvor stellt sich heute die Alternative „Sozialismus oder Barbarei!“ (Rosa Luxemburg)

Quelle: Parteiprogramm der DKP